Michael Hoop ist Diakon des Rauhen Hauses in Hamburg und hatte sich in der Publikation der Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses mit einem Bericht über sein Leben und Wirken in Kanada vorgestellt. Dabei hatte er bemerkt, er habe es sich zur Angewohnheit gemacht, e-mails immer sofort zu beantworten. So schrieb ich ihm auf kurzem elektronischen Wege. Daraus ergab sich eine intensive Brieffreundschaft.
Michael, der vor Jahren in die kanadische Provinz Ontario ausgewandert war, konnte dort seinem Beruf als Sozialarbeiter nicht sofort nachgehen, weil seine Englischkenntnisse zunächst noch recht dürftig waren. So erinnerte er sich, dass er ja einmal das Zimmermannshandwerk gelernt hatte und verdiente sich in den ersten Jahren sein Brot nach dem alten Motto: Handwerk hat goldenen Boden.
Bei dieser Arbeit gewann er so viel Sprachgewandtheit, dass er wieder seinen Beruf als Diplom-Sozialpädagoge ausführen konnte. Er machte noch eine zusätzliche psychotherapeutische Ausbildung und arbeitete alsbald als Therapeut bei einer sozialen Institution, später in einer eigenen Praxis. Von seinem Vater übernahm er eine Farm, die er neben seiner Psychotherapie-Praxis betreibt.
Eine im Frühjahr 1999 per e-mail ausgesprochene Einladung zu einem Besuch nahm ich an und flog am 26. April für zwei Wochen von Hamburg mit der Britisch Airways via London nach Toronto, wo Michael mich vom Airport mit dem Auto abholte. Die kanadische Seenlandschaft und Toronto lagen beim Anflug im Sonnenschein unter uns. Beim Blick aus dem Flugzeugfenster fiel mir bereits auf, dass die Landschaft in Ontario kein Grün zeigte, sondern sich noch in einem tristen Graubraun präsentierte, wo doch in Hamburg schon alles in Frühjahrsblüte gestanden hatte. Ferner war mir gleich vom Flieger aus aufgefallen, dass das Straßennetz in der Neuen Welt fast ausschließlich rechteckig angelegt war.
Wir kannten uns ja persönlich noch nicht, aber Michael hatte mich trotzdem schnell in der Menge der Reisenden entdeckt und begrüßte mich in der Empfangshalle über die Absperrungen hinweg mit dem Ruf meines Vornamens. Nach etwa 1 1/2 Stunden kamen wir in Washago an, wo Michael zusammen mit seiner Partnerin ein typisches kanadisches Haus, umgeben von Busch, bewohnte. Kurz vor dem Ziel kam uns die Feuerwehr entgegen. Es sollte sich gleich herausstellen, dass sie gerade Michaels Haus vor dem heißen Abriss bewahrt hatte. Die Partnerin hatte die noch nicht erkaltete Ofenasche am trockenen Waldrand entsorgt und dabei nicht die nötige Sorgfalt walten lassen.
Dieser Schreck überschattete zunächst die Begrüßung im Hause. Seine Partnerin hatte den ihr nur mit Mühe über die Lippen gehenden deutschen Namen Jürgen schon tagelang fleißig geübt. Durch die Zeitverschiebung war ich zwar hundemüde, überwand mich jedoch, mich bis zum Abend wacker zu halten, um mich so schneller dem neuen Zeitrhythmus anzupassen.
Dann fuhren wir zu der einige Meilen entfernten Farm, deren Wohnhaus damals noch im Sommerhalbjahr von Michaels Eltern bewohnt wurde und in dem Michaels Mutter dann eine kleine Bed & Breakfast-Pension führte. Heute lebt Michael ganz auf der Farm und betreibt die Pension selber.
Michael zeigte mir das Farmgelände und die Wirtschaftsgebäude.
In zwei Ställen mit großen Auslaufgattern hielt er einige Dutzend Emus, aus Australien stammende Straußenvögel. Diese sind etwas kleiner als die südafrikanischen Verwandten, liefern ein sehr gutes, völlig fettfreies dunkles Fleisch, das ich für zwei Wochen morgens, mittags und abends als Wurst, Hamburger, Gulasch und Steaks genoss. Das Fett separieren die Emus in zwei gesonderten Fettdepots. Es wird als Emu-Oel für kosmetische und medizinische Zwecke hoch geschätzt und gilt als noch wertvoller als das sehr gute Fleisch. Leider klappte die Vermarktung nicht so, wie Michael es sich ausgerechnet hatte, so dass er inzwischen seinen Bestand stark verringert und sich wieder um einen festen Job als Sozialarbeiter bemüht hat.
Ferner wurde die Farm durch ein halbes Dutzend Lamas bevölkert, die als Lasttiere für Touristen dienen, die zum Campen in den Busch ziehen.
Der Busch ist in Ontario teilweise noch Urwald, in dem neben Bibern und Hirschen auch Wölfe, Bären und vereinzelt sogar Berglöwen leben.
Die Farm wurde weiterhin von einigen Dutzend Hühnern belebt, auch solche, die grüne, cholesterinarme Eier legen. Gänse, Güssel, Hühner- und Puten-Küken und diverse Katzen rundeten den Kleinviehbestand ab.
So war es denn zwei Wochen lang meine Aufgabe, schon morgens vor dem Frühstück die Ställe zu öffnen, die Lamas und das Federvieh zum Auslauf ins Freie zu lassen, Trinkwasser und Futter aufzufüllen. Nach dem Frühstück ging das Arbeitsprogramm auf der Farm weiter: Eine neue Weide für die Lamas wurde eingezäunt. Da hatte ich tagelang die aus Baumstämmen bestehenden Zaumpfosten in dem lehmigen Boden mit Sand festzustampfen. Das war bei den von Tag zu Tag höher steigenden Mittagstemperaturen oft recht schweißtreibend, zumal die Schwarzfliegenplage gerade Saison hatte. Ohne Hut mit Moskitonetz kam ich nicht aus.
Stolz war ich darauf, den Lamastall alleine ausgemistet zu haben, was meine ungeübten Arm- und Rückenmuskeln doch arg strapazierte. Dabei durfte ich zum Abtransport des Dungs auch den schweren Trecker fahren. Dann entrostete ich den zum Viehtransport bestimmten Trailer und verpasste den entrosteten Stellen einen neuen Mennige- und Farbanstrich. Bei Regenwetter räumte ich die Werkstatt auf und sortierte alte Schrauben, Nägel und Werkzeuge. So lernte ich das Farmerleben im Alltag gut kennen.
Michael unternahm mit mir mehrere sehr schöne und teilweise weite Ausflüge in den Busch, wo ich Biber beobachten konnte, an die Georgian Bay des Huronsees und in den riesigen Algonquin-Provinzialnaturpark, wo uns auch mehrere Elche über den Weg liefen. In einem Spezialshop eines Indianerreservats erstand ich eine Lederweste, Mokassins und einen bemalten Stein als Andenken.
Es waren zwei schöne erlebnisvolle und aufschlussreiche Wochen in der Neuen Welt, in der die Uhren teilweise doch etwas anders gehen, als im alten Europa.
Auf der Rückreise nutzte ich den recht langen Aufenthalt in London, um trotz großer Müdigkeit mit der Undergroundtrain in die Innenstadt zu fahren und mir die Londoner City um den Big Ben herum anzusehen. Mitte Mai war ich wieder zurück in Hamburg.
Dieser Reisebericht ist in der Autobiographie des Webmasters enthalten
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